Die urbane Landschaft in Deutschland befindet sich in einem ständigen Wandel. Stadterneuerung ist dabei weit mehr als nur die bauliche Aufwertung von Quartieren – sie steht im Zentrum einer gesellschaftlichen Transformation, die auf die Verbesserung der Lebensqualität aller Stadtbewohner abzielt. Der Anspruch, den urbanen Raum sozial gerecht zu gestalten, gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Angesichts wachsender Herausforderungen wie Wohnraumknappheit, soziale Segregation und Klimawandel zeigt sich, dass erfolgreiche Stadterneuerung einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen muss. Dieser umfasst die Integration von sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten, um lebenswerte Städte für alle Bevölkerungsgruppen zu schaffen.
Historisch betrachtet haben sich die Ansätze der Stadterneuerung stark gewandelt – vom reinen Abriss und Neubau hin zu behutsamen, integrativen Konzepten. Die Beteiligung der Bürger ist dabei zu einem zentralen Element geworden. Erfolgreiche Projekte in deutschen Städten zeigen, dass ein sozial ausgewogener Ansatz nicht nur zur Verbesserung des Wohnumfelds beiträgt, sondern auch den sozialen Zusammenhalt fördert und lokale Ökonomien stärkt. Gleichzeitig stehen Stadtplaner und Kommunen vor der Herausforderung, Gentrifizierungsprozesse zu steuern und bezahlbaren Wohnraum zu sichern.
Historische Entwicklung der Stadterneuerung in Deutschland seit 1970
Die Stadterneuerung in Deutschland hat seit den 1970er Jahren einen bemerkenswerten Wandel durchlaufen. In der Nachkriegszeit dominierte zunächst die "Kahlschlagsanierung", bei der ganze Stadtquartiere abgerissen und nach modernistischen Prinzipien neu gebaut wurden. Diese radikalen Eingriffe führten oft zu einem Verlust gewachsener sozialer Strukturen und historischer Bausubstanz. Es war die Zeit der funktionalen Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit – ein Planungsparadigma, das heute als überholt gilt.
Der Wendepunkt kam mit den Bürgerprotesten der späten 1970er Jahre, insbesondere in Berlin-Kreuzberg, wo sich Bewohner gegen die Zerstörung ihrer Kieze wehrten. Dies führte zur Entwicklung der "Behutsamen Stadterneuerung", die erstmals bei der Internationalen Bauausstellung (IBA) Berlin 1984/87 umgesetzt wurde. Unter dem Motto "Die Innenstadt als Wohnort" wurden zwölf Grundsätze formuliert, die bis heute die Stadterneuerung prägen: Erhalt der Bausubstanz, Beteiligung der Bewohner, sozialverträgliche Modernisierung und behutsame Ergänzungen statt Abriss.
In den 1990er Jahren kamen durch die Wiedervereinigung neue Herausforderungen hinzu. Die Städte in Ostdeutschland wiesen einen enormen Modernisierungsbedarf auf, gleichzeitig kam es zu erheblichen Bevölkerungsverlusten. Das Städtebauförderprogramm "Stadtumbau Ost" (später ergänzt durch "Stadtumbau West") adressierte diese Problematik und führte das Konzept der perforativen Stadt ein, das kontrollierte Schrumpfung mit qualitativer Aufwertung verband.
Mit dem Städtebauförderungsprogramm "Soziale Stadt" (heute "Sozialer Zusammenhalt") wurde 1999 ein Meilenstein gesetzt. Erstmals stand nicht die bauliche, sondern die soziale Dimension im Mittelpunkt der Stadterneuerung. Integrierte Handlungskonzepte und Quartiersmanagement wurden eingeführt, um sozial benachteiligte Stadtteile ganzheitlich zu entwickeln. Dieser Paradigmenwechsel markierte den Übergang von einer rein physischen zu einer integrierten Stadterneuerung , die bauliche, soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte verbindet.
Seit den 2000er Jahren haben Themen wie Klimaschutz, Energieeffizienz und digitale Transformation zunehmend Eingang in die Stadterneuerung gefunden. Die Anpassung an den Klimawandel durch grüne Infrastruktur und wassersensible Stadtentwicklung ist zu einem wichtigen Handlungsfeld geworden. Gleichzeitig rückt die soziale Dimension wieder stärker in den Fokus, da steigende Mieten und Gentrifizierung in vielen Städten zu sozialen Spannungen führen.
Die aktuelle Generation der Stadterneuerung legt großen Wert auf Resilienz, Nachhaltigkeit und Inklusion. Programme wie "Zukunft Stadtgrün" oder die Weiterentwicklung der bestehenden Förderprogramme zeigen, dass die Stadterneuerung als kontinuierlicher Prozess verstanden wird, der sich an wandelnde gesellschaftliche Herausforderungen anpasst. Der integrierte Ansatz
hat sich dabei als besonders erfolgreich erwiesen, da er verschiedene Fachbereiche und Akteure zusammenbringt und so nachhaltige Lösungen ermöglicht.
Sozialgerechte Quartierskonzepte als Schlüssel zur Stadtentwicklung
Sozialgerechte Quartierskonzepte haben sich als fundamentaler Bestandteil erfolgreicher Stadtentwicklung etabliert. Sie basieren auf dem Grundgedanken, dass Stadtquartiere mehr als nur Wohnorte sind – sie bilden den Lebensmittelpunkt der Bewohner und prägen deren Alltag, soziale Netzwerke und Teilhabechancen maßgeblich. Ein ausgewogener sozialer Mix, die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur sind entscheidende Erfolgsfaktoren für lebendige und resiliente Stadtquartiere.
Im Kern steht bei sozialgerechten Quartierskonzepten das Prinzip der sozialen Mischung , das darauf abzielt, verschiedene Bevölkerungsgruppen hinsichtlich Einkommen, Alter, kulturellem Hintergrund und Lebensstilen im Quartier zu integrieren. Dies wird beispielsweise durch einen ausgewogenen Mix aus frei finanziertem, gefördertem und genossenschaftlichem Wohnungsbau erreicht. Die Festlegung von Sozialwohnungsquoten bei Neubauprojekten ist dabei ein wichtiges Steuerungsinstrument geworden.
Zunehmend wichtig wird auch die Berücksichtigung unterschiedlicher Wohnbedürfnisse. Flexible Grundrisse, die sich an verändernde Lebenssituationen anpassen lassen, barrierearme Wohnkonzepte für ältere Menschen und familienfreundliche Wohnumfelder tragen zu einer hohen Wohnqualität für alle Bevölkerungsgruppen bei. Gleichzeitig müssen Quartierskonzepte auch die lokale Ökonomie stärken, indem sie Raum für Gewerbe, soziale Einrichtungen und kulturelle Angebote schaffen.
Die sozialgerechte Quartiersentwicklung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für den sozialen Frieden in unseren Städten. Sie schafft Räume, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Einkommensschichten gemeinsam leben und voneinander lernen können.
Ein zentrales Element sozialgerechter Quartierskonzepte ist die aktive Einbindung der Bewohner in Planungs- und Entscheidungsprozesse. Partizipative Ansätze stärken nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern führen auch zu bedarfsgerechteren Lösungen. Innovative Beteiligungsformate wie Planungsworkshops, digitale Beteiligungsplattformen oder temporäre Nutzungen ermöglichen es, das lokale Wissen der Bewohner zu nutzen und ihre Ideen in die Quartiersentwicklung einzubinden.
Das Berliner Quartiersmanagement: Erfolge im Stadtteil Kreuzberg
Das Berliner Quartiersmanagement (QM) gilt deutschlandweit als Pioniermodell für die soziale Stabilisierung benachteiligter Stadtteile. Besonders in Kreuzberg hat es bemerkenswerte Erfolge erzielt. Seit 1999 arbeiten in diesem traditionellen Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil QM-Teams als Vermittler zwischen Bewohnern, Verwaltung und lokalen Akteuren. Sie koordinieren Projekte, verwalten Fördermittel und unterstützen Nachbarschaftsinitiativen.
Ein Schlüsselelement des Erfolgs in Kreuzberg ist der Quartiersbeirat
, in dem Bewohner direkt über die Verwendung von Fördermitteln entscheiden können. So wurden etwa im QM-Gebiet Zentrum Kreuzberg/Oranienstraße zahlreiche bewohnergetragene Projekte realisiert – von interkulturellen Gärten über Bildungsangebote bis hin zu Nachbarschaftscafés. Die kontinuierliche Beteiligung hat nicht nur zu passgenauen Angeboten geführt, sondern auch das Engagement und die Identifikation der Bewohner mit ihrem Kiez gestärkt.
Besonders erfolgreich war die Verknüpfung von baulichen Verbesserungen mit sozialen Projekten. Die Umgestaltung des Mariannenplatzes beispielsweise wurde mit Beschäftigungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose kombiniert. Gleichzeitig wurden gezielt Räume für soziale Einrichtungen und migrantische Unternehmen geschaffen, um die lokale Ökonomie zu stärken und Integrationschancen zu verbessern.
Münchens GIMA-Modell: Wohnraumschaffung im Sozialverträglichen Segment
München, eine der teuersten Städte Deutschlands, hat mit dem GIMA-Modell (Genossenschaftliche Immobilienagentur München) einen innovativen Ansatz entwickelt, um bezahlbaren Wohnraum zu sichern. Die 2015 gegründete Genossenschaft fungiert als Vermittlerin zwischen städtischen Grundstückseigentümern, Baugenossenschaften und Baugemeinschaften mit dem Ziel, Wohnraum im mittleren Preissegment zu schaffen.
Das Besondere am GIMA-Modell ist die Kombination aus genossenschaftlicher Organisation und transparenter Vergabe. Die Stadt München stellt Grundstücke zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung, wenn sich die Bauherren verpflichten, langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die GIMA koordiniert diesen Prozess und achtet darauf, dass unterschiedliche Wohn- und Lebensformen berücksichtigt werden – von Mehrgenerationenwohnen über inklusive Wohnprojekte bis hin zu Künstlerwohnungen.
Ein Paradebeispiel ist das Projekt "wagnisART" im Domagkpark, das 2018 mit dem Deutschen Städtebaupreis ausgezeichnet wurde. Hier entstanden 138 genossenschaftliche Wohnungen mit gemeinschaftlichen Einrichtungen wie Werkstätten, Ateliers und Gästewohnungen. Durch die innovative Architektur und die Mischung verschiedener Nutzungen wurde ein lebendiges Quartier geschaffen, das trotz der hohen Münchner Grundstückspreise bezahlbaren Wohnraum bietet.
Hamburgs HafenCity: Gelungene Mischung zwischen Luxus und sozialem Wohnungsbau
Die Hamburger HafenCity ist Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsprojekt und zeigt exemplarisch, wie hochwertige Stadtentwicklung mit sozialer Durchmischung kombiniert werden kann. Auf einer Fläche von 157 Hektar entsteht seit 2000 ein neuer Stadtteil, der nach Fertigstellung Wohnraum für etwa 15.000 Menschen und Arbeitsplätze für bis zu 45.000 Menschen bieten wird.
Nach anfänglicher Kritik an der Dominanz von Luxuswohnungen wurde das Konzept angepasst. Seit 2011 gilt der "Drittelmix": Ein Drittel geförderter Wohnungsbau, ein Drittel Mietwohnungen im mittleren Preissegment und ein Drittel Eigentumswohnungen. Zusätzlich wurden Baugemeinschaften und Genossenschaften gezielt gefördert, um eine vielfältige Bewohnerstruktur zu erreichen.
Besonders hervorzuheben ist das Quartier Baakenhafen im östlichen Teil der HafenCity. Hier ist ein familienfreundliches Quartier mit Schulen, Kitas und großzügigen Freiflächen entstanden, das bewusst auf eine soziale Mischung ausgerichtet ist. Das Projekt "Inklusives Wohnen" der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille bietet barrierefreie Wohnungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu bezahlbaren Mieten – mitten in einem Premium-Stadtentwicklungsgebiet.
Partizipative Planungsprozesse nach dem Leipziger Modell
Leipzig hat sich mit seinem partizipativen Planungsansatz bundesweit einen Namen gemacht. Nach Jahren des Bevölkerungsrückgangs erlebt die Stadt seit etwa 2010 ein dynamisches Wachstum, das neue Herausforderungen mit sich bringt. Das "Leipziger Modell" der Bürgerbeteiligung setzt auf eine frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der Stadtgesellschaft in Planungsprozesse.
Charakteristisch für das Leipziger Modell ist der integrierte Stadtentwicklungsprozess
, der formelle Beteiligungsverfahren mit informellen Formaten kombiniert. Bei der Erarbeitung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts "Leipzig 2030" (INSEK) wurden beispielsweise zahlreiche Formate eingesetzt: Bürgerforen Leipziger Beteiligung" wurden über 40.000 Menschen direkt angesprochen, und mehr als 5.000 Bürger beteiligten sich aktiv an der Zukunftsplanung ihrer Stadt. Besonders erfolgreich war der Einsatz von aufsuchenden Beteiligungsformaten, die gezielt Menschen erreichten, die sonst selten an Planungsprozessen teilnehmen.
Ein Leuchtturmprojekt des Leipziger Modells ist die Entwicklung des ehemaligen Güterbahnhofs zum "Stadtteilpark Plagwitz". Hier wurde ein 15 Hektar großes Industrieareal in einen vielfältigen Grün- und Erholungsraum umgewandelt, wobei Bürger in allen Planungsphasen einbezogen wurden. Über Zukunftswerkstätten, Planungsspaziergänge und temporäre Nutzungen konnten die Anwohner ihre Ideen einbringen, was zu einer hohen Identifikation mit dem Park führte. Heute wird ein Teil der Flächen von einer Bürgerinitiative in Eigenregie gepflegt – ein Beispiel für gelungene Koproduktion
von Stadt und Bürgern.
Ökologische Stadterneuerung und ihre Auswirkungen auf Lebensqualität
Die ökologische Dimension der Stadterneuerung hat in den letzten Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewonnen. Angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Umweltbelastungen in urbanen Räumen sind grüne Infrastrukturen, energieeffiziente Gebäude und klimaangepasste Stadtstrukturen zu zentralen Elementen nachhaltiger Stadtentwicklung geworden. Dabei zeigt sich, dass ökologische Maßnahmen nicht nur der Umwelt zugutekommen, sondern auch die Lebensqualität der Bewohner signifikant verbessern.
Städte sind besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels, wie Hitzeinseln und Starkregenereignisse. Gleichzeitig verursachen sie etwa 70% der globalen CO₂-Emissionen. Dies macht sie zu Schlüsselakteuren im Kampf gegen den Klimawandel. Die ökologische Stadterneuerung adressiert diese Herausforderungen durch einen ganzheitlichen Ansatz, der bauliche, infrastrukturelle und soziale Maßnahmen verbindet.
Besonders erfolgversprechend ist das Konzept der "Schwammstadt" (Sponge City), das darauf abzielt, Regenwasser dezentral zu speichern und zu versickern, anstatt es schnell abzuleiten. Durch Gründächer, Versickerungsflächen und Retentionsbecken wird der natürliche Wasserkreislauf in der Stadt unterstützt und gleichzeitig die Hitzebelastung reduziert. Diese Maßnahmen erhöhen nicht nur die Klimaresilienz, sondern schaffen auch attraktive Frei- und Grünräume, die zur Erholung und sozialen Interaktion einladen.
Ökologische Stadterneuerung ist mehr als Klimaschutz – sie verbessert die Gesundheit, senkt Energiekosten und schafft lebenswerte Quartiere. In einer Zeit zunehmender Umweltbelastungen ist sie nicht Luxus, sondern Notwendigkeit für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte.
Die positiven Auswirkungen ökologischer Stadterneuerung auf die Lebensqualität sind vielfältig. Grünflächen verbessern das Stadtklima, reduzieren Lärm und Luftverschmutzung und fördern körperliche Aktivität. Energetische Gebäudesanierungen senken Heizkosten und verbessern den Wohnkomfort. Verkehrsberuhigte Bereiche und Radwege erhöhen die Verkehrssicherheit und ermutigen zu aktiver Mobilität. Darüber hinaus stärken gemeinschaftlich genutzte Grünflächen wie Urban-Gardening-Projekte den sozialen Zusammenhalt im Quartier.
Freiburgs Vauban-Quartier: Verkehrsberuhigung und grüne Infrastruktur
Das Freiburger Vauban-Quartier gilt international als Modellprojekt für ökologische Stadtentwicklung. Auf dem Gelände einer ehemaligen französischen Kaserne entstand seit den 1990er Jahren ein autoarmes Stadtviertel mit rund 5.500 Einwohnern, das konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Das Verkehrskonzept sieht eine weitgehende Autofreiheit vor, mit Stellplätzen am Quartiersrand und Carsharing-Angeboten. Die Erschließung erfolgt über eine Straßenbahnlinie, die das Quartier mit der Innenstadt verbindet.
Die grüne Infrastruktur ist das Herzstück des Vauban-Quartiers. Ein differenziertes Freiraumsystem mit öffentlichen Plätzen, Grünkorridoren und naturnahen Spielplätzen durchzieht das Gebiet. Besonders innovativ ist das dezentrale Regenwassermanagement: Niederschlagswasser wird über Mulden-Rigolen-Systeme gesammelt, versickert oder in den angrenzenden Bach geleitet. Dies entlastet die Kanalisation und trägt zur Kühlung des Quartiers bei.
Die Gebäude im Vauban-Quartier setzen Maßstäbe in Sachen Energieeffizienz. Alle Häuser erfüllen mindestens den Niedrigenergie-Standard (65 kWh/m² pro Jahr), viele sind Passivhäuser (15 kWh/m² pro Jahr) oder sogar Plusenergiehäuser, die mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Die Wärmeversorgung erfolgt über ein Blockheizkraftwerk mit Holzhackschnitzeln und Solarthermie. Zahlreiche Gebäude sind mit Photovoltaikanlagen und begrünten Dächern ausgestattet.
Die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohner sind beeindruckend. Studien zeigen, dass die Verkehrsberuhigung zu einem sicheren und lärmreduzierten Wohnumfeld führt, in dem Kinder selbständig spielen können. Die grünen Freiräume fördern Bewegung und soziale Interaktion. Die Baugruppen
, in denen sich Bürger zusammenschlossen, um gemeinsam Wohnprojekte zu realisieren, haben zu einer starken Nachbarschaft und lebendigen Gemeinschaft beigetragen.
Urban Gardening Projekte in Frankfurt und ihre soziale Integrationskraft
In Frankfurt am Main haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Urban-Gardening-Projekte etabliert, die weit mehr leisten als nur die Produktion von Lebensmitteln. Sie fungieren als soziale Treffpunkte, fördern den interkulturellen Austausch und tragen zur ökologischen Aufwertung verdichteter Stadtquartiere bei. Das bekannteste Beispiel ist der "GartenFrankfurt" im Nordend, der 2009 auf einer Brachfläche entstand und heute von über 100 Gärtnern aus 20 Nationen betrieben wird.
Die integrative Kraft dieser Gartenprojekte zeigt sich besonders in sozial heterogenen Quartieren. Im Frankfurter Gallusviertel, einem traditionellen Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil, wurde 2015 der interkulturelle Garten "GallusGarten" gegründet. Hier bewirtschaften Menschen unterschiedlicher Herkunft – von syrischen Geflüchteten bis zu alteingesessenen Frankfurtern – gemeinsam Beete und tauschen Wissen über Anbaumethoden und Kulturpflanzen aus. Regelmäßige Gartenfeste und Kochevents stärken den Zusammenhalt im Quartier und bauen Vorurteile ab.
Die Stadt Frankfurt unterstützt diese Initiativen durch das Programm "Frankfurt frisst dich", das Flächen für Urban-Gardening-Projekte vermittelt und fachliche Beratung anbietet. Auch temporäre Nutzungen auf Entwicklungsflächen werden ermöglicht, wie beim "Prinzessinnengarten" auf dem ehemaligen Deutzer Hafen, der als mobile Gartenanlage konzipiert ist und bei Bedarf umziehen kann. Diese flexible Herangehensweise erlaubt es, auch in der dynamischen Immobilienentwicklung Frankfurts grüne Oasen zu schaffen.
Die ökologischen Effekte der Urban-Gardening-Projekte sind vielfältig: Sie erhöhen die Biodiversität, verbessern das Mikroklima und fördern das Umweltbewusstsein. Zudem werden lokale Wirtschaftskreisläufe gestärkt, wenn die Produkte auf Wochenmärkten oder in Food-Sharing-Netzwerken verteilt werden. Studien der Goethe-Universität belegen zudem positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Teilnehmer durch die körperliche Aktivität an der frischen Luft und die soziale Einbindung.
Energetische Sanierung im Bestand: Das Beispiel Essen-Katernberg
Der Essener Stadtteil Katernberg im nördlichen Ruhrgebiet steht exemplarisch für die Herausforderungen und Chancen energetischer Sanierung in Bestandsquartieren. Das ehemalige Bergarbeiterquartier ist geprägt von Zechensiedlungen aus der Gründerzeit und den 1950er Jahren, die energetisch in schlechtem Zustand waren und hohe Heizkosten verursachten – ein Problem, das besonders die einkommensschwache Bevölkerung belastete.
Im Rahmen des Projekts "Innovation City Ruhr" wurde in Katernberg seit 2013 ein ganzheitlicher Sanierungsansatz verfolgt. Statt isolierter Einzelmaßnahmen wurde ein integriertes Quartierskonzept
entwickelt, das technische, wirtschaftliche und soziale Aspekte verbindet. Eine Besonderheit war die aufsuchende Energieberatung, bei der Experten direkt in die Haushalte gingen und maßgeschneiderte Sanierungsfahrpläne erstellten. Kombiniert mit attraktiven Förderprogrammen konnte so die Sanierungsrate von unter 1% auf über 3% pro Jahr gesteigert werden.
Die Vivawest Wohnen GmbH, größter Wohnungseigentümer im Quartier, sanierte über 500 Wohnungen nach höchsten energetischen Standards. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Warmmieten nach der Sanierung nicht oder nur moderat stiegen, um Verdrängung zu vermeiden. Dies wurde durch eine Kombination aus öffentlichen Fördermitteln (KfW, progres.nrw) und langfristiger Finanzplanung erreicht. Ergänzend wurden Mieter zu "Energielotsen" ausgebildet, die ihre Nachbarn beim energiesparenden Verhalten beraten.
Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die CO₂-Emissionen im Quartier wurden um 38% reduziert, die Heizkosten sanken im Durchschnitt um 45%. Gleichzeitig verbesserte sich der Wohnkomfort durch bessere Dämmung, moderne Heizungssysteme und kontrollierte Wohnraumlüftung. Bewohnerbefragungen zeigen eine hohe Zufriedenheit mit den Maßnahmen und eine stärkere Identifikation mit dem Quartier. Das Projekt in Katernberg demonstriert, dass energetische Sanierung bei kluger Umsetzung nicht nur ökologische, sondern auch soziale Vorteile bringen kann.
Klimaresilienz durch blau-grüne Stadtstrukturen in Dresden
Dresden hat als Stadt an der Elbe wiederholt mit Hochwasserereignissen zu kämpfen, zuletzt bei der verheerenden Flut 2002 und erneut 2013. Gleichzeitig nehmen sommerliche Hitzeperioden zu. Als Reaktion auf diese klimatischen Herausforderungen entwickelte die Stadt das Konzept der "blau-grünen Stadtstrukturen", das Wasser- und Grünflächen intelligent vernetzt, um die Klimaresilienz zu erhöhen.
Im Zentrum steht der Dresdner Grüngürtel, ein System aus Parks, Waldgebieten und Gewässern, das die Stadt durchzieht und klimatische Ausgleichsfunktionen übernimmt. Bei der Neugestaltung des Elbufers nach dem Hochwasser 2002 wurden multifunktionale Flächen geschaffen, die im Normalfall als Erholungsraum dienen, bei Hochwasser aber als Retentionsraum fungieren. Der Alaunpark in der Neustadt wurde mit einem Regenwasserrückhaltesystem ausgestattet, das bei Starkregen Wasser speichert und langsam abgibt.
Besonders innovativ ist das Projekt "StadtSpongE", bei dem im Stadtteil Johannstadt seit 2019 verschiedene Maßnahmen der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung umgesetzt werden. Auf öffentlichen Plätzen, in Straßenräumen und auf Privatgrundstücken entstehen Versickerungsmulden, Rigolen und Regenbeete, die Niederschlag vor Ort zurückhalten und zur Verdunstung bringen. Dadurch wird nicht nur die Kanalisation entlastet, sondern auch das Stadtklima verbessert, da die Verdunstung kühlend wirkt.
Ein weiteres Leuchtturmprojekt ist die Umgestaltung des Postplatzes im Zentrum Dresdens. Der vormals versiegelte Platz wurde teilweise entsiegelt und mit einem innovativen Wassermanagementsystem ausgestattet. Wasserelemente, Bäume und spezielle Pflasterungen sorgen für ein angenehmes Mikroklima auch an heißen Tagen. Messungen zeigen, dass die Oberflächentemperatur im Vergleich zu benachbarten versiegelten Flächen um bis zu 8°C niedriger liegt.